Chile im Wandel – Tagesseminar der stiftung medico international

Projekte 2013 - Deutschland

Am 11. September 2013 jährte sich zum vierzigsten Mal der Militärputsch in Chile. Die Diktatur Pinochets gibt es nicht mehr. Das Diktat des unter ihr installierten neoliberalen Modells aber hat nach wie vor Verfassungsrang. Nach Jahren des politischen Stillstands haben sich in den vergangenen Jahren neue soziale Bewegungen entwickelt. Mit erstaunlicher Beharrlichkeit demonstrieren SchülerInnen und StudentInnen für das Recht auf Bildung, kämpfen Stadtbevölkerungen gegen die weitere Privatisierung von öffentlicher Infrastruktur, will die Mapuche-Bevölkerung ihre Rechte gegen das Primat der „Wirtschaftsinteressen“ durchsetzen. Gibt es eine gemeinsame Basis für diese Bewegungen und wie nachhaltig sind sie? Welche Spuren haben die schweren Menschenrechtsverletzungen der Diktatur bis heute in der chilenischen Gesellschaft hinterlassen? Und welche Lehren lassen sich aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte im Modelland des Neoliberalismus ziehen?

Über diese Fragen diskutierten Referentinnen und Referenten auf einem Thementag der stiftung medico international und der Katholischen Akademie Rabanus Maurus am 14. September 2013 in Frankfurt im Haus am Dom. In seiner Eröffnungsrede legte der chilenische Intellektuelle Carlos Pérez Soto die katastrophalen Folgen der neoliberalen Reformen für Chiles Gesundheits- und Bildungssystem dar. Er machte außerdem darauf aufmerksam, dass sich der Ausverkauf des Sozialstaats unter parlamentarisch-demokratischen Regierungen fortgesetzt hat. Ausgehend von dem neoliberalen Paradigma, den Wettbewerb in allen Lebensbereichen als zentrales Prinzip zu etablieren, legte der Psychologe Miguel Castello in seinem Kurzvortrag dar, wie die Medien den Wettbewerb in den Köpfen verankern. Mit den Menschenrechtsverletzungen der Pinochet Diktatur und ihrer juristischen Aufarbeitung beschäftigte sich Marcelo Henriquez Kries, der selbst lange Zeit um die Strafverfolgung der Mörder seines Vaters gekämpft hat. Im Abschlusspanel diskutierten Christian Russau (Brasilienexperte des FDCL Berlin), Carlos Pérez und Pavel Eichin über die sozialen Bewegungen in Chile und Brasilien im Kampf um öffentliches Gut und neue Formen der Demokratie.

Die Debatten des Seminars förderte die Stiftung mit 7.383 Euro.