Visionen einer anderen Globalität

Gegen die Alternativlosigkeit. Das Symposium zum 20jährigen Jubiläum der medico-Stiftung

27. September 2024, 11-18 Uhr
medico-Haus, Lindleystr. 15, 60314 Frankfurt am Main

+++ Die Veranstaltung ist ausgebucht. Sie wird aufgezeichnet und im Nachhinein auf unserem Youtube-Kanal veröffentlicht. +++

Zu den fatalen Konsequenzen der globalen Entfesselung des Kapitalismus zählte nicht nur die voranschreitende Zerstörung von Lebensräumen, sondern auch eine dramatisch gewachsene soziale Verunsicherung. Wo jede und jeder für sich selbst verantwortlich sein soll, musste der Schutz, den Gesellschaften bieten, verloren gehen. Die Kehrseite der Ent-Solidarisierung ist ein genereller Vertrauensverlust, der sich heute, wo Krisen zu einer permanenten Bedrohung gewohnter Lebensstile, wenn nicht des Lebens überhaupt geworden sind, in Apathie und Existenzängsten äußert.

Unter solchen Umständen haben es rechtspopulistische Parteien leicht. Ihre Wahlerfolge verweisen auf ein diffuses „Unbehagen in der Globalisierung“, das sich mit der Rückkehr konkurrierender Machtblöcke in die Angst vor dem steigert, was nach der Globalisierung kommen könnte.

Aber nicht das Zusammenrücken der Welt ist das Problem gewesen, sondern der prekäre Zustand, in den ihre marktradikale Umgestaltung sie geführt hat. Internationale Abkommen regeln den freien Kapital- und Warenverkehr, nicht aber einen wirksamen Schutz der Klimas, die Bekämpfung des Hungers und das Recht auf Freizügigkeit. Auf bemerkenswerte Weise ist die Globalisierung unvollendet geblieben. Nicht alle wurden gleichermaßen integriert, und viele sind im Zuge der Schaffung der ungleichzeitigen globalen Realität gänzlich ausgeschlossen worden.

Die Lebenswelten der Menschen, so unterschiedlich sie sein mögen, sind mittlerweile so vielfällig miteinander verschränkt, dass Krisenbewältigung nicht im nationalen Rahmen gelingen kann. Die Vorstellung, sich auf abgeschottete kleine Wohlstandsinseln zurückziehen zu können, mag attraktiv klingen, führt aber geradewegs in den Abgrund. Die Welt steht am Scheideweg: Ihre Zukunft liegt in einer auf Ausgleich bedachten sozial-ökologischen Wende oder in Barbarei.

Was ist zu tun, um weiteres Unheil abzuwenden? Was gegen die soziale Ungleichheit? Was gegen die Verführungskraft nationalistischer Überlegen­heits­phantasien und anti-liberaler Gemeinschaftsversprechen?

Trotz der dystopisch anmutenden Lage gibt es Annäherungen an eine andere Globalität. Eine, in der sich nicht alles um Hegemonie und partikulare Vorteilsnahmen dreht, sondern um sozialen Ausgleich und damit die Ermöglichung von Diversität im Rahmen selbstbestimmter translokaler Lebenswelten.

Zweierlei scheint heute nötig. Neben der entschlossenen Zurückweisung jedweden Autoritarismus braucht es die Verständigung auf eine Vision, wie künftig das gesellschaftliche Leben von Menschen gestaltet werden soll. Tatsächlich muss sich vieles ändern: unser Verhältnis zur Natur, die Beziehung zwischen den Geschlechtern, die ethischen Prioritäten, die Konsumgewohnheiten, die Produktionsverhältnisse, unsere gesamte Lebensweise.

Zu entwerfen ist die Idee einer befreiten Gesellschaftlichkeit, die weder jenen autoritären Wohlfahrtsstaat meint, der – psychologisch gesprochen – auf regressive Bedürfnisse reagiert, aber die Autonomie der Menschen verhindert, noch der neoliberale Kampf aller gegen alle. Dabei ist zu entdecken, dass Freiheit und soziale Sicherheit keine Gegensätze sind, sondern einander bedingen. Ohne soziale Sicherheit, verstanden als „transzendentales Obdach“ fehlt das die Freiheit schützende und zugleich ermöglichende soziale Umfeld. Und ohne die Garantie individueller Freiheit wird es keinen Schutz vor sozial ausschließenden und repressiven Formen der Vergesellschaftung geben. Es ist die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, die heute auf Verwirklichung drängt

Programm

11:00 Begrüßung und Einführung
11:15

Kapitalismus am Limit – die Grenzen des Wachstums

  • Ulrich Brand, Professor für Internationale Politik an der Universität Wien
12:00

Gesellschaftlicher Zerfall und Autoritarismus – die subjektiven Verhältnisse

  • Ayline Heller (angefragt), Psychologin am GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften
13:00Pause
14:00

Translokalität – Wege zu nicht-imperialen Lebensweisen

  • Ökosozialismus? – Kathrin Hartmann, Journalistin und Autorin
  • Gender Justice – Uta Ruppert, Professorin für Politikwissenschaft und politische Soziologie mit dem Schwerpunkt Globaler Süden an der Goethe-Universität Frankfurt
  • Globale Gesundheit – Anne Jung, Referentin für Globale Gesundheit bei medico international
  • Frieden und Gerechtigkeit – Jan van Aken, Referent für internationale Krisen und Konflikte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Moderation: Julia Manek, Referentin für psychosoziale Arbeit bei medico international

15:45Pause
16:15

Inseln der Vernunft – Es geht auch anders!

  • Manuela Bojadžijev, Professorin für „Kultur und Lebensstile in der Einwanderungsgesellschaft“ am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin
  • Eva von Redecker, Philosophin, Autorin und Publizistin
  • Shalini Randeria, Sozialanthropologin und Rektorin der Central European University in Wien

Moderation: Ilija Trojanow, Schriftsteller, Übersetzer und Mitglied im Kuratorium der Stiftung medico international

17:00

Resümee

  • Thomas Gebauer, langjähriger Geschäftsführer von medico international und Mitglied im Kuratorium der Stiftung medico international