Das Recht auf angemessenen Wohnraum verteidigen im Ezbet El Haggana-Slum in Kairo

Projekte 2011 - Ägypten

Der Großraum Kairo ist mit ca. 17 Millionen Bewohnern eine der am schnellsten wachsenden „Megacities“ der Welt. Neben Binnenwachstum und anhaltender Landflucht tragen auch afrikanische Migranten aus benachbarten Ländern zum rasanten Wachstum besonders der ärmeren Stadtviertel bei. Sie entstehen semilegal ohne ausreichende Ver- und Entsorgungssysteme (Wasser, Strom, Sanitär, Abfall, Straßen, öffentliche Gesundheits- und Bildungseinrichtungen etc.). Die Privatisierung vormals öffentlicher Dienstleistungen und eine hohe Arbeitslosigkeit bedrohen den Ressourcenzugang zur Deckung teils existentieller Bedürfnisse der Slumbewohner zusätzlich. Der Kontrast zu den oft in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen wohlhabenden Vierteln, zumeist sogenannte „gated communities“, ist groß.

Der medico-Partner „Al Shehab Foundation for Comprehensive Development“ setzt sich seit rund zehn Jahren für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Ezbet al Haggana, einem der größten Slums von Kairo, ein. Am nordöstlichen Rand der ägyptischen Hauptstadt gelegen sind einige Gebiete des Slums von großen Hochspannungsleitungen überzogen, die den Strom aus dem Assuan-Staudamm nach Kairo leiten. Daraus ergeben sich auch spezifische Gesundheitsgefahren, etwa neurologische Probleme wegen Hochspannungsfeldern und unmittelbare Stromunfälle, die Interventionen erforderlich machen. Die „Al Shehab Foundation“ engagiert sich gemeinsam mit den Bewohnern durch die Bildung von Nachbarschaftskomitees für eine Verbesserung der Wohnraumsituation im Besonderen und der sozialen Determinanten von Gesundheit im Allgemeinen. Sie unterstützen die Slum-Bewohner zum Beispiel bei der Artikulation ihrer Bedürfnisse gegenüber lokalen Behörden und Ver-/Entsorgungsunternehmen oder bei der Initiierung kleinerer, nachbarschaftlicher Infrastrukturmaßnahmen (sanitäre Anlagen, Dachverstärkungen, Wegebefestigungen). Oder sie engagieren sich bei der Schlichtung von Nachbarschaftskonflikten zwischen den verschiedenen ethnosozialen Gruppen.

Mithilfe der 2011 begonnenen, 24 Monate währenden Förderung konnten unter anderem folgende Projekte angegangen werden, bzw. sind zum Teil schon umgesetzt:

  • Fortbildungen für das Al-Shehab-Team zur Stärkung seiner Fähigkeiten im Durchführen von Workshops mit partizipativen Elementen, strategische Planungen u.a.
  • Training mit Gemeindeaktivisten zur Stärkung ihrer Kompetenz in menschenrechtlicher Advocacy-Arbeit, zum selben Thema Sensibilisierungs-Workshops für Behördenvertreter.
  • Bildung einer Allianz von Bewohnern der lokalen Gemeinde, Aktivisten und zivilgesellschaftlichen Organisationen zur öffentlichen Durchsetzung des Rechts auf angemessenen Wohnraum sowie Förderung entsprechender Fähigkeiten in Lobby-Arbeit, Verhandlungsführung und Kommunikation.
  • Entwicklung und Durchführung einer gemeindebasierten Kampagne in Ezbet al Haggana über das Recht auf angemessenes Wohnen und menschenrechtliche Standards.
  • Entwicklung und Start einer breiteren Öffentlichkeitskampagne für das Recht auf gutes Wohnen.
  • Entwicklung einer die Interessen armer Bevölkerungsschichten berücksichtigenden Alternative zum großen nationalen „Masterplan“ Cairo 2050.
  • Intensive Begleitung dieser Prozesse durch das Projektteam von Ezbet al Haggana, Begleitung durch einen erfahrenen Juristen als Berater bei den öffentlichen und planerischen Aktivitäten mit lokalen Behörden und der Öffentlichkeit.

Besonders unter den aktuellen neuen politischen Bedingungen birgt das Projekt die große Chance, einen konkreten Beitrag zu einer demokratischen Neuentwicklung in Ägypten zu leisten, die die Interessen der marginalisierten armen Bevölkerung berücksichtigt. Die gesellschaftlichen Determinanten von Krankheit werden bei der Betrachtung der sozialräumlichen Verdichtung schlechter Wohn- und Gesundheitsverhältnisse in Slums besonders deutlich.

Förderung in 2011: 10.000 Euro